Geschichtsunterricht im Kölner “EL-DE-Haus”

Trauerschleifen verschiedenster Verbände in der Gedenkstätte des EL-DE-Hauses.

 

Wie schon in den vorangegangenen Schuljahren bereits üblich, unternahmen auch die diesjährigen Zehnerklassen der August-Sander-Schule einen Unterrichtsgang zum NS-Dokumentationszentrum „EL-DE-Haus“ in Köln.

Das Gebäude, 1934/35 vom Geschäftsmann Leopold Dahmen (EL DE) erbaut, war ursprünglich als Luxusimmobilie mit Wohn- und Geschäftsbereichen gedacht. Allerdings beschloss die Geheime Staatspolizei (Gestapo), dass sich dieses Gebäude als geeigneter Ort für eine Gestapo-Zentrale anbot.
Leopold Dahmen vermietete den noch unfertigen Rohbau an die Gestapo, und so wurden durch Zwangsarbeiter ab Dezember 1935 in den oberen Stockwerken Büro- und Diensträume und im Keller des Gebäudes Gefängniszellen eingerichtet.

Seit den 80er-Jahren beherbergt dieses Haus das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, in dem die Geschichte der Gestapozentrale und der nationalsozialistische Alltag Kölns zwischen 1933 und 1945 erforscht und dargestellt werden.

Unser Unterrichtsgang begann mit einer Führung in den oberen Stockwerken und ehemaligen Dienstzimmern des Hauses, in denen uns Funktionsweise und Ideologie des Nationalsozialismus erklärt wurden.
Wissenswert etwa ist es, dass Kinder und Jugendliche durch den gesellschaftlichen Druck gezwungen wurden, der Hitlerjugend (HJ) bzw. dem Bund Deutscher Mädel (BDM) beizutreten und etwa an den eigens organisierten Zeltlagern oder politischen Schulungen teilzunehmen. Die beiden Organisationen boten den jungen Heranwachsenden zahlreiche Freizeitmöglichkeiten an, um sie an das Regime zu binden und auf einen militärischen Alltag vorzubereiten.
Sträubten sich die Jugendlichen dem Beitreten, wurde massiver Druck in Form jeglicher Benachteiligung bis hin zur Bedrohung ausgeübt. Und so waren es auch viele Jugendliche, die wegen ihrer Verweigerung oder beispielsweise einer Nähe zum Widerstand (z.B. Ehrenfelder Gruppe) im EL-DE-Haus inhaftiert, verhört und auch gefoltert wurden.

Zellentrakt

Erschreckend und befremdlich waren während der Führung Ausstellungsstücke, die die pseudowissenschaftliche Rassenideologie der Nationalsozialisten belegten: Über Abstammungstafeln oder Gesichts- und Schädelvermessungen wurden die Menschen in Rassen mit unterschiedlicher Wertigkeit eingeteilt. Der nationalsozialistische Idealtyp war demnach der „Arier“; als besonders „undeutsch“ wurden Juden, Sinti und Roma, „Asoziale“, Prostituierte, Alkoholiker, Homosexuelle und geistig Behinderte ausgegeben.

Für unsere Schüler besonders interessant war auch das vorgestellte Schicksal von Erich Sander, einem Sohn August Sanders. Er lebte in Köln-Lindenthal, engagierte sich sehr für die Widerstandsarbeit der SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands) und wurde daher 1935 zu einer langjährigen Haftstrafe im Zuchthaus Siegburg verurteilt. In dieser Zeit dokumentierte er als Gefängnisfotograf das Leben der Häftlinge in Siegburg, hielt ihren Gefängnisaufenthalt ganz offiziell auf einzigartige Weise photographisch fest. Erich Sander verstarb kurz vor Beendigung seiner Haft auf sehr mysteriöse Weise: Tagelang wurden von der Gefängnisleitung akute Schmerzen des politischen Gegners ignoriert, bis er dann – viel zu spät – ins Siegburger Krankenhaus verlegt wurde und dort verstarb. Sein Grab befindet sich heute gemeinsam mit dem seines berühmten Vaters auf dem Kölner Melaten-Friedhof an der Aachener Straße.

Nach dem Besuch der Ausstellung stiegen wir in den ehemaligen Zellentrakt um die eigentliche Gedenkstätte herum hinunter. In den Gefängniszellen waren damals Zwangsarbeiter und auch Widerstandskämpfer eingesperrt. In den meisten Fällen waren die Häftlinge über völlig unbestimmte Zeit auf engstem Raum zusammengepfercht – und das ohne Pritschen und Toiletten. Lediglich einmal täglich durften die Inhaftierten den Toilettenraum aufsuchen. Ansonsten musste in den völlig überbelegten Zellen ein Blecheimer benutzt werden, der einmal täglich gelehrt wurde. Das, was die Häftlinge als Nahrung bekamen, nannten sie selber „Wassersuppe“ – häufig ein Sud aus Essensresten und Küchenabfällen. Besonders erschreckend ist, dass diese „Ernährung“ sich natürlich bei wenig Hygiene und den nicht oder kaum vorhandenen sanitären Möglichkeiten auf den Gesundheitszustand der Häftlinge auswirkte. Bei solchen Zuständen herrschte in den Zellen ein unerträglicher Gestank. Zudem konnten die bis über 30 Gefangenen pro Zelle nur schlafen, indem sie sich sitzend mit ihren Mithäftlingen arrangierten. Besonders eindringlich wurde uns geschildert, wie sich die weiblichen Häftlinge während ihrer Menstruation nur mit abgerissenen Kleiderfetzen helfen mussten.
Die Gefangenen wurden durch diese Haftbedingungen bewusst entmenschlicht – und das war angestrebtes Ziel und Terrormittel der Gestapo-Beamten.

Durch die stark gesicherten Kellerfenster zur Straße hin konnte durchaus ein Austausch zwischen Häftlingen und Passanten stattfinden. Somit konnte auch jeder Kölner erahnen, was in dem Gebäude vor sich ging. Die reine Präsenz des EL-DE-Hauses diente letztendlich also auch der Einschüchterung der Bevölkerung.

Der übliche Haftgrund für die Zelleninsassen war die Durchführung von Verhören. Diese fanden unter Folter statt. Da die Schreie der Verhörten bis auf die Straße drangen, wurden die Verhöre in den Tiefkeller verlegt. Die Gefangenen wurden einzeln in den Tiefkeller gebracht und dort vor allem mit Schlagringen, Totschlägern und Knüppeln misshandelt. Nach dem Verhör wurden sie dann wieder blutüberströmt in die Zellen zurückgebracht. Es ist klar, dass sich dies auch auf die Psyche der Mithäftlinge auswirkte. Wann wer als nächstes in den Tiefkeller abgeholt werden würde, konnte niemand absehen.

Der Tiefkeller diente weiter den Beamten als ausgebauter Luftschutzbunker. Während der alliierten Luftangriffe wurden die Häftlinge dabei schutzlos in ihren Zellen gelassen. Bezeichnend aber ist, dass dieses Gebäude des Terrors trotz aller großflächigen Zerstörungen Kölns nie einen schweren Treffer erhielt.

In den letzten Kriegsjahren erhielt die Zentrale die Befähigung, Inhaftierte auch ohne Gerichtsurteil zu exekutieren. Über 400 Gefangene wurden im Innenhof an einem Galgen hingerichtet. Die Leichen der Exekutierten wurden am Folgetag von Wagen der städtischen Müllabfuhr zum so genannten „Gestapofeld“ auf dem Melaten-Friedhof gebracht. Viele Augenzeugen bekamen von ihren Wohnungen aus die Hinrichtungen mit: Eine damalige Anwohnerin beschreibt, sie habe ihre Kinder während des Mittagessens in der Küche so an den Tisch gesetzt, dass sie die Hinrichtungen nicht sehen konnten.

In einigen der Zellen konnten wir zahlreiche deutsche, russische, ukrainische, polnische, französische oder niederländische Inschriften wahrnehmen, die uns sehr berührten. Diese wurden von den Häftlingen mithilfe eines Lippenstiftes, eines Metallstückes, welches man fand, oder den eigenen Fingernägeln an die Wände geschrieben oder geritzt, um Spuren ihrer Haft und ihres
Aufenthalts zu hinterlassen.

Diese Graffitis sind heute konserviert und mit Glasplatten gesichert. Während der Führung wurden einzelne Inschriften eingebettet in die Einzelschicksale verschiedener Häftlinge. Und spätestens hier wurde augenscheinlich, dass es nicht eine Masse an Inhaftierten war, die hier litt, gequält und getötet wurde. Es waren Individuen, einzelne Personen mit ihren ganz eigenen Geschichten, Hoffnungen und Ängsten.

Im Anschluss an die jeweiligen Führungen hatten die Schüler noch die Gelegenheit, sich selbstständig durch das Gebäude zu bewegen und anschließend Köln zu erkunden.

Dieses Köln hat heute keine Gestapo-Zentrale mehr. Aber in Zeiten, innerhalb derer gerne einmal nach „starken Präsidenten“ und einfachen Lösungen gebrüllt wird, sollten wir dafür Sorge tragen, dass es auch nie wieder eine geben kann!

 

  • Bildquellen mit freundlicher Genehmigung des NS-Dokumentationszentrums Köln

(Weber / Ochmann)