„Gibt es etwas, was Sie aus ihrer Zeit als Grenzer vermissen? Haben Sie auf Menschen geschossen, die aus der DDR flüchten wollten? Warum sind Sie Grenzschützer geworden?” Zeitzeuge Sven Ziegler, der heute in der Eifel lebt, schaute in viele fragende und interessierte Gesichter, als er vor unseren Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen über die Geschehnisse am 9. November1989 in der DDR sprach.
Als am 9.November 1989 in Berlin die Mauer fiel und damit die Wiedervereinigung Deutschlands begann, da waren die Schülerinnen und Schüler noch gar nicht geboren.
Doch Sven Ziegler, damals 23 Jahre alt, tat an diesem Abend als Grenzsoldat seinen Dienst auf der Glieniker Brücke (über die Havel zwischen Berlin und Potsdam, auch als „Agentenbrücke” bekannt).
Noch 17 Jahre alt, wurde Ziegler Grenzschützer, mit 18 Jahren leistete er den Fahneneid. Seinen Dienst leistete er an der „grünen Grenze”.
Die Grenze zwischen der DDR und der BRD war an die 1400 Kilometer lang, mit 167 Kilometern war die Mauer durch Berlin eher ein Teilstück. Sven Ziegler, der sich damals für 25 Jahre als Grenzsoldat verpflichtet hatte, spricht heute davon, dies „aus den falschen Idealen” heraus getan zu haben. Für ihn war diese Grenze die sicherste und ununüberwindlichste Grenze, die es je gegeben hat. Sie war auf einem breiten Streifen darauf angelegt, jeden „Grenzverletzer” zu stoppen. „Jeder von uns kannte den Schießbefehl und führte ihn auch aus.“ § 27 regelte die Anwendung von Schusswaffen für die Grenzsoldaten.
„An dieser Grenze haben Menschen auf Menschen geschossen und nur weil sie eine Grenze überwinden wollten”, betont Ziegler „Dieses Kapitel meiner Geschichte hat mich geprägt, aber ich bin nicht stolz darauf!”. Und unterstreicht: „Die DDR war ein Unrechtsregime!”
Als 1989 immer mehr DDR-Bürger demonstrieren, kommt es in Leipzig zum bis dahin größten Protest und Ziegler bekommt mit, wie 20 000 Bewaffnete, darunter auch Grenztruppen seitens der DDR-Regierung – ebenfalls dorthin zusammengezogen werden. „Der Staat wollte dort die Demonstrationen beenden, ein für allemal.” Doch die bewaffneten „Truppen” schießen nicht, sie halten sich zurück.
Dann, am 9. November in Berlin, am Tag zuvor war bereits das gesamte SED-Büro zurückgetreten, verkündet das Politbüromitglied Günter Schabowski „kopflos und mit einem Schmierzettel” in einer Pressekonferenz, dass ab sofort die Ausreise ins westliche Ausland ohne das Vorliegen besonderer Gründe möglich ist. Für Ziegler beginnen ab da aufreibende, angespannte Stunden: „Denn Schabowski informiert zu keinem Zeitpunkt die Grenzer!” Der Kommandant der Grenzschützer ist es, der den Schießbefehl zurücknimmt und an der Grenze wird die Zeit knapp. Tausende DDR-Bürger versammeln sich an der Grenze und wollen die angekündigte Reisefreiheit “testen”. Bei Sven Ziegler ist es 23.55 Uhr als er seine Waffe sichert. „An diesem Abend hat Deutschland ganz viel Glück gehabt. Es ist kein Schuss gefallen!”
Mit seiner Ehrlichkeit, auch sich selbst gegenüber und seinem Wissen aus erster Hand über die DDR-Grenze, ist Sven Ziegler ein Zeitzeuge, der unsere Schülerinnen und Schüler berührte und mitnahm auf eine Reise zum Ende der DDR. Seine Botschaft am Ende einer aktuellen und aufwühlenden Geschichtsstunde: „Wo die Stillen aufstehen, wo viele aufstehen, da bricht das Unrecht zusammen!”