„Studienfahrt nach WEIMAR?… Na, ja…Warum fahren wir nicht nach…?“
So hätten auch unsere 12er sicher vor einem Jahr auch noch reagiert – bevor sie im Fach Gestaltung das BAUHAUS kennengelernt haben. Die Rede ist hier natürlich nicht von der Baumarkt-Kette. Gemeint ist die 1919 in Weimar gegründete Schule für Kunst und Handwerk. Das Bauhaus war und ist bis heute richtungsweisend für die Gestaltung von Häusern, Möbeln, Alltagsgegenständen: Bauen und die Gestaltung der Umwelt durch angewandtes Design bedeutet auch Gestaltung von Lebensvorgängen und bewussten Umgang mit Ressourcen.
Eigentlich konnte also kein anderes Ziel für die Studienfahrt im Jahr des 100 jährigen Bauhaus-Geburtstages infrage kommen.
Und selbstverständlich war die Bauhaus-Universität, die den Namen dieser bedeutenden Designschule des 20.Jahrhunderts trägt, auch unser erster Anlaufpunkt. Dort wurden wir von einer Architektur-Studentin, die ihre Begeisterung für die Architektur und für das Bauhaus mit uns teilen wollte, durch den „großen Bauhaus-Spaziergang“ geführt. In der Universität sahen wir u.a. das berühmte Zimmer von Walter Gropius. Der bedeutende Architekt des 20. Jahrhunderts war der erste Leiter der Bauhaus-Schule.
Unsere Schüler*innen erkannten während des Rundganges viele Unterrichtsinhalte wieder, z.B. die bekannte Wagenfeldlampe, Teppichgestaltung, Wandmalereien. Ein Highlight war die Besichtigung des „Hauses am Horn“. Das „Haus am Horn“ wurde für eine erste Ausstellung der Bauhaus-Schule aus den kubischen Bauelementen von Georg Muche als Prototyp realisiert. In ihm präsentierten die Meister (Lehrer des Bauhauses), wie sie sich zeitgemäßes Bauen und Wohnen vorstellten. Unsere Schüler konnten heute live die Räume erleben und einen Eindruck von der einstigen Möblierung gewinnen. Damals war es eine Werbefläche für neue Materialien (Beton, Glas, Stahl) und Technologien. Das Haus war ein Gemeinschaftswerk aller Bauhaus-Werkstätten. Da unsere Schüler*innen in der 11. Klasse auch in den unterschiedlichsten Betrieben ihre Praktika absolviert haben (Tischler, Raumausstatter, Maler, Mediengestalter, etc) war es für sie höchst interessant, angewandte Bauhaus-Gestaltung aus der Nähe zu betrachten und sie mit aktuellen Designs zu vergleichen.
Am frühen Abend ging es für uns weiter mit dem Thema Architektur. Vor der offiziellen Eröffnung der Triennale der Moderne konnten wir an einer Vernissage teilnehmen. Titel: „Erfurt/Haifa. Architekturen der Moderne im Dialog“. In der Ausstellung konnten wir Schnittstellen des „Neuen Bauens“ vergleichen und ein Gefühl für ästhetische Gesichtspunkte bei der Städteplanung bekommen. Wir lernten Naftali Fürst (87) aus Haifa kennen, einen Buchenwald-Überlebenden, der mit seiner Frau in Haifa lebt und immer noch regelmäßig als einer der letzten Zeitzeugen über den Holocaust berichtet. Er bot übrigens an, die August-Sander-Schule einmal zu besuchen. Später ist uns in der Stadt sein überlebensgroßes Foto in Schwarz-Weiß ins Auge gefallen. Es war eines der 16 Porträts, die anlässlich der Triennale auf dem Weg zwischen Bahnhof und dem neuen Bauhaus-Museum Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald zeigten.
Im Stellwerk erlebten wir mit dem „Jungen Theater Weimar“ eine Impro-Show und wurden selbst zu Schauspielern. Durch unsere Vorgaben entstanden überraschende Szenen; Spontaneität und Kreativität entfalteten sich. Es hat uns hat sehr gefallen und nach der Anreise und dieser dritten Veranstaltung des Tages wollten die meisten von uns nur noch müde ins Bett fallen,
…denn für den nächsten Tag standen die nächsten Highlights auf dem Programm.
Los ging es mit der Ausstellung „Van de Velde“ im Neuen Museum. Der Neorenaissancebau mit seinem verspiegelten Treppenaufgang war wirklich beeindruckend. Mit zahlreichen Exponaten wurde das Design Henry Van de Veldes präsentiert und die Schüler bekamen ein Gefühl dafür, wie sich die Formen des Produktdesigns im Laufe der Zeit entwickelt haben und aktuelles Design hervorgebracht haben. Ein Schüler bewunderte z.B. besonders die colorierten Architektur- und Produktzeichnungen des 19. Jahrhunderts: „Ungeheuer detailgetreu und realistisch in der Dreidimensionalität, ich habe so etwas noch nie gesehen. Das Museum ist großartig“. Die zeitgemäße und kreative Präsentation machte diesen Museumsbesuch zu einem alles andere als langweiligen Erlebnis und tatsächlich sogar Lust auf mehr Museum, sodass wir uns frohen Mutes aufmachten zum Bauhaus-Museum.
Pünktlich zum Jubiläumsjahr war das neue Bauhaus-Museum eröffnet worden.
Unsere Schüler*innen erkannten hier unzählige Produktdesigns wieder. Das Bauhaus war ja Experimentierfeld auf den Gebieten der freien und angewandten Gestaltung, des Designs, der Architektur und Pädagogik. Geleitet von der Frage „Wie werden wir wohnen, wie werden wir siedeln, welche Formen des Gemeinwesens wollen wir erstreben?“ (Walter Gropius,1924) erforscht die Ausstellung die Bedeutung des Bauhauses für unsere Gegenwart. Die Gestaltungsschüler*innen fotografierten, skizzierten, dokumentierten ihre individuellen Inspirationen in ihren ästhetischen Tagebüchern. „Den Marcel-Breuer-Stahlrohrstuhl oder die Silberkanne von Marianne Brandt live zu sehen ist cool“, hörte man einen Schüler hier oder eine Schülerin dort sagen. „Form folgt Funktion“, ist sichtbar gewordener Leitspruch der Bauhaus-Designer, der immer noch aktuell ist. Auch das konnte man bei der Betrachtung der Ausstellungsstücke verstehen. Da die Schüler als Wochenaufgaben für ihre Mappe selber Entwürfe für Produkte skizzieren, ist ihre Wahrnehmung dafür besonders sensibilisiert.
Nach dem Mittagessen ging es weiter zur Anna-Amalia-Bibliothek. Hier bekamen wir einen Einblick in das Herzstück der Weimarer Klassik und bestaunten den imposanten Rokokosaal.
Einen Überblick über die Baustilepochen ermöglichte uns der Rundgang durch die wunderschöne Altstadt Weimars unter der Führung eines Kunsthistorikers, der den Blick immer wieder auch auf interessante Details lenkte. Die Architekturinteressierten waren besonders aufmerksam bei dem vergleichenden Sehen der gotischen Giebel mit z.B. symmetrischen Renaissancefassaden und ihren geometrisch angeordneten Bauteilen. Am Beispiel des Stadtschlosses machten wir uns die klassizistische Erscheinung klar, wobei das Schloss nach einem Brand im 18 Jh. auf den barocken Mauern errichtet wurde.
Am Ende des Tages waren wir uns einig: Außerschulische Lernorte, wie die geschichtsträchtige Kulturstadt Weimar, sind ungeheuer inspirierend. Ein Schüler, der sein Betriebspraktikum in einem Restaurationsatelier absolviert hatte, äußerte: „Hier würde ich gerne studieren“.
Die ästhetischen Tagebücher der Schüler*innen sollen übrigens am Tag der offenen Tür (07.12.2019) als „offenes Archiv“ Eindrücke und Gedanken zusammentragen.